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Klima & Energie

Aus „Alt“ mach „Neu(wertig)“!

Lohnt sich der energetische Retrofit bestehender Anlagen? Diese Frage kann Markus Orbke, Energieexperte der Klaus Brummernhenrich GmbH & Co. KG aus Bad Salzuflen, mit einem klaren „Ja“ beantworten, zumindest für die in die Jahre gekommene Hydrauliköl-Kühlanlage des Kunststoffspritzgussbetriebs aus Bad Salzuflen. Mit deren Optimierung hat das Unternehmen den Sonderpreis des EnergyEfficiencyAwards der Deutschen Energie Agentur (dena) gewonnen.

Risikoanalyse als Auslöser

Aber der Reihe nach: Anfang 2021 hat das Unternehmen eine Risikoanalyse durchgeführt. „Dabei haben wir festgestellt, dass es für die über 20 Jahre alte, speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) im Notfall keine Ersatzteile mehr gibt,“ berichtet Orbke. Der Ausfall einer einzigen Steuerungskomponente hätte bereits nach weniger als 30 Minuten zum kompletten Stillstand der Produktion geführt. „Es war also schnelles Handeln angesagt!“

Der Anlagenhersteller sah sich nicht in der Lage, die Steuerung 1:1 auszutauschen. Einziger Ausweg: Ein Komplettaustausch des Schaltschranks für einen mittleren fünfstelligen Betrag. „Dafür hätte die Produktion allerdings mindestens eine Woche stillstehen müssen. Ein absolutes No-Go“, so Orbke: „Auf der Suche nach Alternativen haben wir alle Infos zur Anlage zusammengetragen. Was wurde damals verbaut? Welche Aufgabe hat welches Teil? Und: Was könnte man in Zukunft besser machen?“

Ziel Komplettüberholung

Schnell sei klar gewesen, dass der Hersteller viele Komponenten so verbaut habe, damit die Anlage für möglichst viele Kunden passt, meint Projektleiter Orbke. „Individuelle Anforderungen und Energieeffizienz spielten vor 20 Jahren keine Rolle.“ Auf dem Prüfstand standen also nicht nur die Steuerung, sondern Pumpen, Motoren und Software. Die Zielsetzung: Neue Steuerung, Überarbeitung des Schaltschranks, Austausch von Stellantrieben für Lüftungsklappen, digitale Sensoren statt analoge Druckanzeigen, Drehzahlregelung, Fernüberwachung und Selbstdiagnose der Anlage. Das alles sollte die modernisierte Anlage können. „Klar, dass das mehr Geld kostet als der Tausch einer Steuerung“, berichtet Orbke. „Wir haben schnell signalisiert, dass wir dafür die Mittel bereitstellen,“ stellt die für die für Finanzen verantwortliche Mitgeschäftsführerin Jessica Brummernhenrich fest. „Als Familienunternehmer denken wir in größeren Zeitspannen!“

Nachdem alle Komponenten gesichtet, bewertet und für die Zukunft ausgelegt worden waren, hat Orbke in der Region passende Projektpartner gesucht und gefunden: „Das waren intensive Gespräche. Jeder musste das große Ganze verstehen und sich mit den Projektpartnern absprechen.“

Zahlreiche Stolpersteine

Trotz der guten Vorbereitung lief nicht alles glatt: Die Elektriker waren in einem anderen Projekt länger als geplant eingebunden, der Schaltschrankbauer fiel wegen Corona aus, das Softwareunternehmen musste bei 80 Prozent Fertigstellung wegen ausbleibender Zahlungen eines wichtigen Kunden Insolvenz anmelden. „Das waren zum Teil herbe Rückschläge. Weil wir aber alles Schritt für Schritt und im laufenden Betrieb umgesetzt haben, ist es am Ende 'nur' zu einer zeitlichen Verzögerung gekommen. Der Produktionsbetrieb war zu keinem Zeitpunkt gefährdet, auch weil wir immer einen Plan B hatten,“ ergänzt der Mitgeschäftsführer und Technische Leiter Klaus Brummernhenrich.

Wie neu

„Jetzt haben wir eine Anlage auf dem aktuellen Stand der Technik“, ist Orbke stolz. „Unsere Pumpen laufen drehzahlgeregelt mit einem um 75 Prozent reduzierten Druck. Die Lüftermotoren laufen nicht mehr parallel, sondern geben in Abhängigkeit von der verfügbaren Wassertemperatur in drei Lagerbereichen ihre Wärme ab. Im Winter nach innen und im Sommer nach außen. Der wöchentliche Diagnoselauf zeigt frühzeitig defekte Klappenstellantriebe oder verschmutzte Filtermatten an. Fehlermeldungen werden per Mail versandt.“

Die fortlaufende Erfassung von Temperatur, Druck und Anlagenzuständen sei die Basis für die Optimierung des Gesamtsystems, ist Orbke überzeugt. „Wir haben nach dem Einbau noch sechs Monate lang die Software optimiert. Auch dadurch sparen wir an dieser Anlage nun 80 Prozent Energie!“ Aber auch die Mitarbeitenden profitierten: „Im Winter wird es im Versand nun deutlich schneller warm, nachdem das Tor wegen Verladetätigkeiten eine Zeit lang offenstand.“

   

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