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Titelthema - Leitartikel

Fachkräftemangel

„Können Sie mir neue Mitarbeiter backen“, fragte neulich ein Unternehmer. Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel, Fachkräfteengpass oder Fachkräftelücke  - dies sind alles sehr verschiedene Begriffe, die uns ständig begegnen. Es haben alle zwar eine unterschiedliche Bedeutung, jedoch eines gemein: um alle Tätigkeiten wie gewohnt durchzuführen, haben wir langfristig einfach zu wenige Menschen hier.  

Das Wort "Fachkraft" ist zweigeteilt und legt gemäß des Wortursprungs fest, dass eine Person sich in einer Profession erfolgreich ausgebildet wurde.  Per Definition in Deutschland hat eine Fachkraft in Deutschland also mindestens eine zweijährige Ausbildung abgeschlossen. Und genau die fehlen uns in Deutschland an jeder Ecke.
Fachkräfte sichern  in den Unternehmen Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung, Wohlstand und Lebensqualität. Angesichts der demografischen Entwicklung ist die Sicherung des Fachkräftebedarfs eine der großen Herausforderungen aktuell und der kommenden Jahrzehnte.
Zwar gibt es in Deutschland derzeit keinen offiziellen flächendeckenden Fachkräftemangel, allerdings können schon heute in bestimmten Regionen und Branchen offene Stellen nicht mit geeigneten Fachkräften besetzt werden. Dies betrifft vor allem die Bereiche Technik, Informatik, die Gesundheitsbranche aber auch verschiedenste Dienstleistungen wie Verkehr, Logistik und Gastgewerbe. Viele Unternehmen sind bereits akut von dem Mangel an Fachkräften betroffen. Die Arbeitslosenquote ist in Deutschland im Jahr 2023 leicht angestiegen und lag zuletzt bei 5,7 Prozent. Die positive Lage am Arbeitsmarkt verkompliziert in vielen Branchen die Suche nach geeignetem Personal. Der Fachkräftemangel als Entwicklungshemmnis ist aus Sicht der Unternehmen merklich angestiegen – 2010 waren es noch 16 Prozent, die den Fachkräftemangel als Geschäftsrisiko einstuften. Heute stellt dieser Mangel für mehr als jedes zweite Unternehmen bundesweit ein deutliches Geschäftsrisiko dar, wie zuletzt in der Konjunkturumfrage von Februar 2024 der Deutschen Industrie- und Handelskammer hervorgeht.

Ein großer Faktor ist die alternde Gesellschaft in Deutschland. Diese verstärkt als Teil des demografischen Wandels die Engpässe im Fachkräftebereich. Laut aktuellen Vorausberechnungen wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, also Personen zwischen 20 und unter 65 Jahren, bereits im Jahr 2030 um 3,9 Millionen auf einen Bestand von 45,9 Millionen Menschen sinken.
Leider ist es gemäß dem Unternehmer-Wunsch natürlich nicht möglich, einfach neue Mitarbeitende „zu backen“. Unternehmen werden aber immer kreativer und versuchen mit Events und Kampagnen in allen Medien potenzielle neue Mitarbeitende zu erreichen. Nie hatten Schüler:innen eine größere Auswahl an Möglichketen und rechnerisch so wenig Konkurrenz bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Aber demografisch reichen die jungen Menschen nicht aus, selbst eine natürlich projizierte Binnenwanderung innerhalb der Europäischen Union nicht. Bereits seit fast 15 Jahren versuchen verschiedenste Initiativen in Deutschland in Projekten gezielt Fachkräfte aus Ländern wie Spanien und Portugal oder aktuell aus Tunesien, Marokko und Ägypten als potenzielle Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Flucht- und Migrationsbewegungen der letzten Jahre haben zahlreiche Menschen hergebracht und das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz zielt auch in diese Richtung. All diese Motive hatten jedoch an zwei elementaren Punkten Probleme. Punkt eins ist die deutsche Sprache, die spätestens beim Ablegen von Prüfungen bei Vielen zu deutlichen Problemen führt. Punkt zwei ist oft gravierender, denn jedes Engagement neue Auszubildende oder Mitarbeitende zu finden, ist dann nicht mehr erfolgreich, wenn die Menschen wieder gehen.
Wenn Unternehmen (ausreichend) Mitarbeitende haben, setzten sie vieles daran diese an sich zu binden und möglichst lange zu halten. Von finanziellen Anreizen, individuellen Arbeitszeitmodellen, technischen Unterstützungen oder frischen neuen Arbeitsumgebungen setzten Unternehmen schon viel um. Ganze Regionen schließen sich zusammen für ein Regionallobbying, um sich für Fachkräfte rundum attraktiv zu gestalten.
Es ist entscheidend, aktiv gegenzusteuern, sowohl im Kleinen wie auch gemeinsam im großen Stil. Wichtig ist dabei auch die Erwerbsbeteiligung zu steigern und Frauen sowie ältere und beeinträchtigte Personen noch stärker in das Erwerbsleben einbinden. Zum anderen wird die Zuwanderung von Fachkräften und Integration von Geflüchteten.Grundsätzlich agieren wir nun in einer spannenden Zeit. Verschiedenste Hochrechnungen prognostizieren unterschiedliche Bedarfe wie viele Fachkräfte in 10 oder 20 Jahren fehlen werden. Wie viele es aber schlussendlich werden, ist nicht leicht absehbar. Immer stärker werden Arbeits- und Unternehmensprozesse digitalisiert und automatisiert. Erste Programme lassen die vielfältigen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz erahnen. Ein mündiger Mitarbeiter lässt sich auch in Zukunft nicht backen, aber vielleicht teilweise programmieren.

   

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