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Titelthema

Kein Windrad ohne Gegenwind

„Im Zweifel hat immer der Kreis Lippe schuld.“ Dr. Ute Röder als Verwaltungsvorstand sowie Olrik Meyer, Fachbereichsleiter Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Mobilität beim Kreis Lippe verpacken es in Ironie.“

Seit Jahren gibt es Spannungen beim Ausbau erneuerbarer Energien. „Kaum eine Windkraftanlage entsteht ohne Gegenwind“, bedauern die beiden.

„Es gehört nicht in unsere Zuständigkeit, Flächen für Windenergie auszuweisen, sondern wir müssen als Genehmigungsbehörde die rechtlichen Rahmenbedingungen und Grundlagen bei den Entscheidungen über Windenergieanlagen prüfen und berücksichtigen. Das ist unser Job“, macht Dr. Ute Röder deutlich. Der Prüfkatalog sei riesig, zahlreiche weitere Fachbehörden zu beteiligen. Oft komme es nach Einreichung der Anträge daher zu Beginn der Verfahren zu Diskussionen über Qualität und Aussagekraft der Antragsinhalte. „Sind die Antragsunterlagen vollständig, kann eine Genehmigung innerhalb von zwölf Monaten erfolgen. Leider zieht es sich in manchen Fällen über Jahre hin“, weiß Olrik Meyer. „Diese Verzögerungen und Unterbrechungen von Verfahren liegen nicht in unserer Hand, wie es vielleicht oft nach außen aussieht.“

„Das Thema Windenergie sei dermaßen emotional behaftet, dass sogar schon Mitarbeitende des Kreises Lippe persönlich angegriffen wurden.“

Schließlich treffen regelmäßig zwei Interessengegner aufeinander. Die einen wollen die Räder unbedingt errichten, die anderen wollen es verhindern. „Die ständigen Klagen kosten Zeit, Geld und Nerven“, sagt Dr. Ute Röder. „Dazu haben von Fall zu Fall die verschiedenen Gerichte der Länder unterschiedlich geurteilt.“ Bisher sei der Raum für unterschiedliche rechtliche Auslegungen zu groß, wünscht sich Röder konkretere und verbindliche Gesetze. „Das alles dauert viel zu lange und bremst uns in Sachen Ausbau erneuerbarer Energie aus.“ Mit den aktuellen Gesetzesänderungen sei man jedoch auf einem guten Weg. Zum Beispiel gebe es beim Artenschutz inzwischen konkrete artspezifische To-do-Listen, was wann geprüft werden muss und welche Vermeidungsmaßnahmen erforderlich sind.

Die Novellierungen seien allerdings komplex und die eine oder andere Vereinfachung müsse zudem kritisch hinterfragt werden. „Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Verfahren beschleunigt werden. Gleichzeitig kann das aber auch weniger Bürgerbeteiligung bedeuten“, sieht Dr. Ute Röder hier die Politik in der Pflicht. „Die Akzeptanz für Anlagen vor Ort hat sich trotz Krisen und deren Einflüsse auf die Energieversorgung nicht deutlich verbessert. Um diese Akzeptanz zu erhöhen, ist eine bessere finanzielle Beteiligung der Bürger wünschenswert“, würde Olrik Meyer gerne Bürgerwindanlagen forciert sehen. „Auch Unternehmen sollten sich an Anlagen beteiligen, denn am Ende haben alle etwas davon.“
Drei bis vier Millionen Euro koste ein Windrad. Doch die Investition lohne sich nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell. „Eine moderne Anlage erwirtschaftet durch die EEG-Vergütung bis zu eine Million Euro pro Jahr“, weiß der Experte. Aktuell drehen sich 135 Anlagen in Lippe mit einer elektrischen Gesamtleistung von rund 220 Mega-Watt. „Diese können theoretisch bis zu 40 Prozent des lippischen Strombedarfs decken. Da aber gerade in ländlichen Regionen auch erneuerbare Energien für die Städte erzeugt werden müssen, brauchen wir einen deutlichen Ausbau und ein Repowering von alten, weniger leistungsstarken Anlagen“, verdeutlicht Dr. Ute Röder. 67 Verfahren liefen aktuell in Lippe, die Anzahl schwanke jedoch innerhalb kurzer Zeiträume. „Früher war der Wald als Standort komplett tabu, heute bieten abgestorbene Nadelwälder potenzielle Aufstellflächen.

„Wir müssen umdenken und Kompromisse eingehen, um dem Klimaziel näher zu kommen.“

 Doch nicht nur beim Ausbau der Windenergie müsse man viel aktiver werden, auch bei Photovoltaik-Anlagen gebe es noch viel Luft nach oben. „Wir können nur jeden Betrieb ermuntern, auf unserer Homepage das Solardachkataster aufzurufen“, wirbt Olrik Meyer für den Service, der anschaulich und kostenfrei konkrete Informationen liefert sowie die Wirtschaftlichkeit berechnet.
„Es muss mehr passieren. Wir haben das PV-Potenzial lediglich zu sieben Prozent ausgeschöpft“, möchte Dr. Ute Röder aufs Tempo drücken und auch Denkmalflächen nicht mehr kategorisch ausschließen. Ein bisschen stolz ist sie darauf, dass der Kreis Lippe als Vorreiter die Deponien Hellsiek und Dörentrup statt mit einer technischen Dichtung mit PV-Anlagen abgedeckt hat, die gleichzeitig als Abdichtung dienen. „Der Kreis sei sich seiner Schlüssel- und Vorbildrolle bewusst und lässt nicht nach, mit zielgenauen und effektiven Maßnahmen den Klimaschutz sowie die Energiewende zu forcieren“, setzen Dr. Ute Röder und Olrik Meyer im Namen der Behörde ein Zeichen. Von Gegenwind lassen sie sich nicht aus den eingeschlagenen Bahnen bringen.

 

   

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