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Standardisierte Lösungen

Heizen ohne Öl und Gas: die Wärmewende muss kommen. Die Zeit dafür drängt, ab dem 2024 sollen 500.000 neue Wärmepumpen in Deutschland installiert werden. Ist dieses Ziel überhaupt realistisch und umsetzbar?

Frank Meyer zur Heide, Geschäftsführer der „DeTec GmbH“ als Fachbetrieb für Kälte, Klima und Energietechnik mit Sitz in Detmold, hat bereits im Jahr 2005 Wasserrückgewinnungssysteme entwickelt, in denen eine Wärmepumpe drinsteckt. Der Klima- und Energie-Experte kennt sich als Vorreiter bestens aus mit Sonderanwendungen der entsprechenden Technologie und wünscht sich mehr Tempo in Sachen Transformation sowie standardisierte Lösungen.

„Jeder Dummkopf kann etwas verkomplizieren. Die Kunst ist, etwas zu vereinfachen.“

Diesen Leitspruch hat sich der Unternehmer gut sichtbar in sein Büro gehängt.

 

Herr Meyer zur Heide, Sie haben inzwischen mit der SMART Energietechnik GmbH ein Tochter-Unternehmen gegründet, welches sich auf die Beratung sowie die Analyse von Energieströmen spezialisiert hat. Der Bedarf bei Unternehmen zum Thema CO2-Einsparung scheint groß.

Frank Meyer zur Heide: Tatsächlich ist das Feld rund um Umweltschonung und Energieeinsparung dermaßen erweitert, dass es nicht reicht, quasi im Vorbeigehen ein paar Tipps zu verteilen. Da sind schlüssige, umsetzungsorientierte Konzepte gefragt.

Welches Vorgehen raten Sie Unternehmen, die das Thema Wärmewende gezielt angehen wollen?

Meyer zur Heide: Als Erstes sollte man eine Bestandsanalyse machen und sich die Frage stellen: wo bin ich und wo will ich hin? Es gilt die Gebäudehülle zu checken, die Bedachung, die Fenster, die Produktionsanlagen. Photovoltaik und Solarthermie machen Sinn bei der Eigenenergieerzeugung. Bestehende Heizungsanlage können optimiert oder ausgetauscht werden.

Nicht nur in heimischen Kellern, auch im gewerblichen Bereich schlummern sicherlich noch etliche Öl- und Gas-Kessel aus den 1990er-Jahren.

Meyer zur Heide: Auf jeden Fall und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Denn diese Anlagen sind oft über 30 Jahre alt und mit Technik von vorgestern. Ich vergleiche das immer mit einem Auto, das können wir Deutschen uns am besten vorstellen.

Also fahren ohne Airbag, bildlich gesehen?

Meyer zur Heide: Genau. Ohne neueste Features. Ein gutes Beispiel ist der Volkswagen. Vor 30 Jahren gab es den Golf III. Inzwischen ist der Golf VIII. auf dem Markt. Technologien gibt auch im Energiebereich reichlich, wir haben nur mindestens 20 Jahre verpennt, um diese auszurollen.

Um Öl- und Gasheizungen abzulösen, ist immer wieder die Rede von Wärmepumpen. Andere Länder sind uns da weit voraus.

Meyer zur Heide: Tatsächlich rangiert Deutschland ganz unten mit 4,33 abgesetzten Wärmepumpen pro 1.000 Haushalte im Jahr 2021. Norwegen führt das Ranking an mit 49,77 abgesetzten Wärmepumpen, Finnland folgt mit 44,01.

Mit welchen Kosten muss man inzwischen rechnen, wenn man sich für eine Wärmepumpe entscheidet?

Meyer zur Heide: Inklusive Einbau liegt man aktuell bei etwa 30.000 Euro. Es sind jedoch Förderungen von bis zu 40 Prozent möglich, sowohl im privaten Bereich als auch für Unternehmen. Bei kleinen bis mittleren Unternehmen wird übrigens eine Energieberatung sogar mit bis zu 80 Prozent der Kosten unterstützt.

500.000 neue Einbauten im kommenden Jahr, heißt es im Aktionspapier der Bundesregierung. Ist das realistisch?

Meyer zur Heide: Um dieses Ziel umzusetzen, würden wir geschätzt 30.000 Installateure mehr zum Einbauen benötigen. Der aktuelle Fachkräftemangel ist bekannt. Dazu kommt, dass aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr Firmen-Chefs in den nächsten Jahren altersbedingt aufhören und zu wenig Berufseinsteiger nachkommen, die diese Betriebe übernehmen könnten.

Das hört sich für die Zukunft alles sehr düster an.

Meyer zur Heide: Nein, es gibt ja Lösungsansätze. Wir müssen mehr in Plug and Play reinkommen. Anschließen und loslegen. Dafür brauchen wir standardisierte Lösungen und müssen voneinander lernen. In Ostwestfalen sind die Netzwerke bereits da, wir Lipper müssen sie auch nutzen.

Sie haben bereits vor Jahren ein Wasserrückgewinnungssystem entwickelt. Ein Wärme-System der Zukunft?

Meyer zur Heide: Ja, durch die relativ hohen Temperaturen im Abwasser, die notwendigen Abwassermengen sowie die Umsetzung im Gebäude ist unser „Aqua-Re-Energie-Trichter“ zur Wärmerückgewinnung effizienter als andere vergleichbare Systeme. Das hat ein Pilotprojekt gezeigt, welches wir in Berlin in einem Komplex mit 132 Wohnungen aus dem Jahr 2008 durchgeführt haben. Dahin muss künftig der Weg gehen: Die eigene Wärme und den eigenen Strom im eigenen Gebäude nutzbar zu machen sowie die Energieeffizienz im erheblichen Maße zu steigern.

 

Das Interview führte Sandra Castrup.

   

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