Lippe Wissen und Wirtschaft

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Wasserstoff

Der ländliche geprägte Raum - wie der Kreis Lippe - wird bei der Energiewende noch eine tragende Rolle spielen. Davon ist nicht nur das Institut für Energieforschung an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) überzeugt.

Auf dem Land stehen Flächen für Photovoltaik- und Windparks zur Verfügung, die für die Energiegewinnung und -versorgung benötigt werden. Doch um auf Dauer grundlastfähig zu sein, müssen Möglichkeiten geschaffen werden, um die produzierte Energie - auch bei „Dunkelflaute“ - zur Verfügung stellen zu können. Hier setzt das Feldlabor der TH OWL am Standort des Innovationszentrums in Dörentrup an.
„Speicher sind notwendig, um die starken Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energien auszugleichen und dem Auseinanderlaufen von Angebot und Nachfrage entgegenzuwirken“, bringt es Timo Broeker auf den Punkt. Der Transfermanager Umwelt und Ressourcen an der TH OWL betreut im Rahmen des Projektes „Kraftwerk Land“ eine einzigartige Pilotanlage, ein Reallabor und Transferzentrum für grünen Wasserstoff. „Es gibt Alternativen zu fossilen Brennstoffen, die machbar sind. Wir wollen die Prozesskette dabei nicht nur unseren Kooperationspartnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, sondern auch den Menschen in der Region anschaulich präsentieren“, freut sich Broeker über die Tatsache, dass die TH mit dem Feldlabor zu den Pionieren in Sachen „Power to Gas“ gehört.
Das Außen-Labor in Dörentrup ist mit industriellen Komponenten im kleinen Maßstab gebaut, hat eine Elektrolyseleistung von 10 Kilowatt (kW), kann Strom aus Wind und Sonne in grünen Wasserstoff umwandeln und so 200 Kilowattstunden (kWh) Energie langfristig speichern. „Durch Verdichtung lässt sich die Energiemenge auf 600 kWh erhöhen“, betont Timo Broeker. Zu einem späteren Zeitpunkt könne diese Energie mit einer 8 kW Brennstoffzelle wieder in Strom zurück gewandelt werden. „Wir können den Wasserstoff hier vor Ort außerdem zu Methan und Methanol weiterverarbeiten. Damit bilden wir alle wichtigen Konversionspfade der Energiewende und Sektorenkopplung am „Kraftwerk Land“ ab“, ergänzt der Transfermanager. Mit dem stetig wachsenden Anteil erneuerbarer Energien werde das Speichern von Energie und ihre Nutzung über verschiedene Sektoren wie Strom, Wärme oder Verkehr immer wichtiger.

„Durch die hohe Energiedichte ist die Speicherung in chemischer Form, beispielsweise als Green Fuel, eine vielversprechende Technologie.“

Die Frage des Umwandelns von Wasserstoff sei für die Energiewende zentral, weiß Broeker: „Nach wie vor kann Wasserstoff nur schwer transportiert werden. Das ist mit Methanol viel einfacher, wenn man etwa über Kraftstoff-Ersatz nachdenkt.“
Insgesamt aber sollen im Reallabor eher dezentrale Energieproduktions- und Energieversorgungssysteme getestet werden. „Wir können uns vorstellen, dass das vor allem für Industrieunternehmen oder für die Landwirtschaft interessant wird“, sagt Timo Broeker. Erste experimentelle Versuche mit einer realen Anlage innerhalb einer virtuellen Umgebung sollen noch in diesem Jahr starten. Der Manager des Projektes verweist dabei auf einen weiteren Trend: „Die zukünftige, flächendeckende Energieversorgung wird über virtuelle Kraftwerke organisiert.“ Damit seien nicht computersimulierte Energieproduktionen gemeint, sondern dass dezentrale Energieproduktions- und Speichersysteme miteinander gekoppelt werden. Denn eine der größten Herausforderungen werde wohl die barrierefreie Integration und Interaktion der Vielzahl an dezentralen Erzeugern und Verbrauchern. „Es wird einen großen Bedarf an dezentralen Energiespeicher-Anlagen für die Dunkelflauten im Winter geben. Die Anforderungen an intelligente Steuerung, Automatisierung und Kommunikationsfähigkeit unterscheiden sich maßgeblich von bisherigen Konzepten“, prognostiziert Timo Broeker. Die Prozess- und Energietechnik werde immer weiter automatisiert. Simulation, künstliche Intelligenz und Algorithmen spielten dabei eine wichtige Rolle.
„Künftig werden aus wenigen großen Kraftwerken viele kleine Stromerzeuger. Der Markt wird grenzüberschreitend dezentralisiert, kleinräumige Netze und Speicheranlagen lösen große Stromtrassen und Pipelines ab. Die Verbraucher werden aktive Marktteilnehmer“, blickt der Experte in die Zukunft. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. So sei die Elektrolyse für einen Betrieb oder ein Einfamilienhaus zwar theoretisch und technisch möglich, die Preise dafür bewegten sich jedoch noch in astronomischen Höhen, weiß Broeker. Zunächst sei ohnehin die energieintensive Industrie am Zug. Unabhängig von den künftigen konkreten Anwendungen ist Timo Broeker von der Technologie überzeugt:

„Wir zeigen mit unserem Projekt, dass die Technik für grünen Wasserstoff funktioniert und in den Startlöchern steht.“

   

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