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Standort Deutschland – starker Standort Lippe!?

Rohstoffe werden immer knapper und teurer. Im vierten Artikel unserer Reihe geht es darum, wie Deutschland auf diese Herausforderung reagiert.

Rohstoffgewinnung und Deutschland: Zwei Welten? Jein! Entgegen der allgemeinen Einschätzung ist Deutschland nach wie vor ein Bergbaustandort. Bei Kaolin, dem Grundstoff für Porzellan, sowie bei Steinsalz zählt die Republik zu den weltweit wichtigsten Lieferländern. Zudem werden insbesondere für die Bauwirtschaft wichtige Rohstoffe wie Kalk, Sand oder Kies abgebaut. Allerdings wird deren Förderung aufgrund der Hürden des Naturschutzes immer schwieriger. Können wir uns das leisten?

Umdenken notwendig
Als starker Industriestandort sind wir nicht nur auf Kalk, Sand und Kies angewiesen, sondern auch auf Industrieminerale, Metalle und Seltene Erden. Die meisten Rohstoffe müssen am Weltmarkt beschafft werden. Das war über Jahrzehnte kein Problem, wenn man von Preisschwankungen absieht. Die Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg als akute Krisen mit massiven Auswirkungen auf die Lieferketten, aber auch eine zunehmend restriktive Rohstoffpolitik Chinas, zeigen, dass ein Umdenken dringend notwendig ist.

Rohstoffpartnerschaften aufbauen
Nur wer sich den Zugang zu seltenen Erden und Metallen langfristig sichern kann, wird bei Zukunftsthemen wie der klimafreundlichen Energieerzeugung und Mobilität, der Elektrifizierung und bei digitalen Technologien eine Rolle spielen können. China ist hier nicht nur einer der größten Produzenten, das Land „engagiert“ sich seit einigen Jahren insbesondere in afrikanischen Staaten, schafft Abhängigkeiten und sichert sich so unter anderem den Zugriff auf wertvolle Rohstoffe.
Das hat die Politik in Deutschland und der Europäischen Union erkannt. Ein aktuelles Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und der Entwurf des europäischen Critical Raw Materials Acts zeigen auf, wie Versorgungsrisiken im Bereich der kritischen Rohstoffe strukturell verringert werden sollen. Ein Fokus liegt hier auf dem Auf- und Ausbau von internationalen Rohstoffabkommen mit Förderländern wie Chile oder Namibia, um die Abhängigkeit von China und Russland zu reduzieren. Gleichzeitig sollen die Partnerschaften einen fairen und nachhaltigen Marktrahmen sicherstellen.

Heimische Förderung ausbauen
Ziel ist aber auch, den Abbau kritischer Rohstoffe in Deutschland und Europa zu fördern. Um die Rahmenbedingungen für bestehende und künftige Bergbau- und Abgrabungsvorhaben in Deutschland zu verbessern, soll das mittlerweile 40 Jahre alte Bergrecht novelliert werden. 
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) unterstützt diese Ansätze, hinterfragt aber den Fokus ausschließlich auf kritische Rohstoffe. Selbst die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe warnt in einem Bericht vor dem Risiko eines Defizits bei den heimischen Baurohstoffen. Als Gründe werden zu lange Genehmigungsverfahren und restriktive Flächenausweisungen genannt. Betroffen davon sind auch Betriebe in der Region.

Recycling stärken
Wenn der Rohstoffhunger wächst, muss mit den knappen Ressourcen nachhaltiger umgegangen werden.

Erster Hebel ist das Produktdesign. Denn die Recycling- und Reparaturfähigkeit eines Produkts hängt zentral von der Demontagefähigkeit sowie enthaltenen Stoffen und Materialien ab. Viele deutsche (und lippische) Unternehmen sind hier gut aufgestellt. Die EU-Ökodesign-Verordnung macht diese Anforderungen in der Breite zur Pflicht. Mittelfristig wird der digitale Produktpass hinzukommen. Diese Regelungen müssen mittelstandsfreundlich und handhabbar ausgestaltet werden.

Zweiter Hebel ist die Stärkung des Recyclings: Wertvolle Rohstoffe sollen über Abfälle nicht mehr exportiert, sondern in Europa zurückgewonnen werden. Das ist vor allem für deutsche Technologieanbieter und Entsorgungsunternehmen eine große Chance, die bei Recyclingtechnologien führend sind. Die industrielle Rückgewinnung Seltener Erden oder anderer Spezialmetalle hingegen steckt noch in den Kinderschuhen und sollte durch gezielte Förderung vorangetrieben werden.
Es gibt aber auch ein Marktproblem, das noch angepackt werden muss: Sekundärrohstoffe werden erst dann breit eingesetzt, wenn die verfügbare Menge und der Preis stimmen, sie in öffentlichen Ausschreibungen gefordert und in technischen Normen zugelassen sind.

Geschlossene Kreisläufe als Vision
Aus Sicht der Materialeffizienz optimal wäre, wenn es gelänge, Produkte und Rohstoffe in einem weitgehend geschlossenen Kreislauf zu halten. Neben der Gestaltung möglichst schadstofffreier Produkte als Basis erfordert das Konzept der zirkulären Wertschöpfung allerdings neue Unternehmensprozesse und Geschäftsmodelle. Eine komplexe Herausforderung, an der bereits mehrere Unternehmen und Organisationen in der Region arbeiten.

   

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