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„Der Traum vom eingeschwungenen Zustand ist ausgeträumt.“

Die KEB Automation KG steht als Zulieferer im industriellen Maschinen- und Anlagenbau vor großen Herausforderungen. Das weltweit agierende Unternehmen, das antriebstechnische Komponenten entwickelt, produziert und vertreibt, ist intensiv vom asiatischen Markt abhängig, wie Geschäftsführer Ralf Lutter bestätigt. Im Interview verrät der 63-Jährige, welche Sorgen die Verantwortlichen des inhabergeführten, mittelständischen Unternehmens umtreiben und welche Dinge es zu verändern gilt.

 

IHK: Herr Lutter, Sie sind seit 35 Jahren im Unternehmen beschäftigt und feiern im kommenden Jahr 25-Jähriges in der Geschäftsführung. Sie haben also einige Auf und Abs miterlebt. Wie beurteilen Sie die aktuelle, wirtschaftliche Situation?

Ralf Lutter: Die letzten drei Jahre haben so einiges verändert. Allein am Standort Barntrup mussten fünf bis sechs Millionen Euro mehr in die Hand genommen werden, um überhaupt an Ware zu gelangen. Auch wenn wir aktuell mit einer sehr guten Auftragslage unterwegs sind, werden die dunklen Wolken immer sichtbarer.

IHK: Ein düsterer Blick auf die Beschaffungsmärkte?

Lutter: Unter anderem. 25 Prozent der Waren, die wir benötigen, um unsere Produkte herstellen zu können, müssen importiert werden. Indirekt sind es sogar 40 bis 50 Prozent. Und davon die Hälfte kommt aus China. Auf den ersten Blick ist die weltweite Halbleiterproduktion fest in asiatischer Hand, im Jahr 2020 kamen 73 Prozent aller elektronischen Chips aus asiatischen Fabriken.

Und auf den zweiten Blick?

Lutter: Auf den zweiten Blick wird übersehen, dass US-amerikanischen sowie europäischen Unternehmen ein hoher Anteil an den Fabriken in China gehört. Jeder zweite Chip wird in einem Werk produziert, welches einem US-amerikanischen Unternehmen gehört. Das Land ist mit Abstand die größte Weltmacht der digitalen Hardware.

KEB ist also direkt und indirekt abhängig von Asien?

Lutter: Ja, wir sind abhängig von den Firmen dort vor Ort, die in der Halbleitertechnologie führend sind. Reine Elektronikprodukte mit zahlreichen Komponenten, wie beispielsweise Frequenzumrichter, machen bei uns 75 Prozent des Umsatzes aus. Aber China spielt auch sonst noch eine große Rolle für uns.

IHK: Welche?

Lutter: Im Bereich der Elektromechanik sind wir auf Dauermagnete angewiesen. Die bestehen aus seltenen Erden und China stellt zu 90 Prozent diesen Rohstoff her. China entfernt sich immer mehr vom Westen und andersherum. Wir machen uns Sorgen, wie wir unsere Beschaffungswege in Zukunft zu gestalten haben.

IHK: Eingangs erwähnten Sie immens erhöhte Beschaffungskosten.

Lutter: Durch die Pandemie standen Produktionen still und durch die Sperrung von See-Wegen wurden auch die Frachtkapazitäten eingeschränkt. Das hatte eine eminente Steigerung der Frachtkosten zur Folge. Die haben sich im Vergleich zu den Jahren 2018/2019 fast vervierfacht.

IHK: Wurden die Kosten direkt auf die Kunden umgelegt?

Lutter: Zunächst nicht, deshalb hat der Ertrag gelitten. Preiserhöhungen waren während der Pandemie nicht angesagt am Markt, um es mal salopp auszudrücken. Im Jahr 2022 mussten wir dann aber nach oben anpassen, da auch die Materialkosten kontinuierlich gestiegen sind.

IHK: Wie sehr spürt KEB die geopolitischen Veränderungen?

Lutter: Die Themen wie Materialknappheit und Frachtkostensteigerung wurden direkt abgelöst von der Energiekrise sowie der Inflation im Land. Russland haben wir als Markt verloren, konnten den fehlenden Umsatz jedoch durch andere Landstriche kompensieren. Dafür ist der Aufwand im Im- und Export drastisch gestiegen. Das hatten wir in dieser Ausprägung noch nie.

IHK: Inwiefern?

Lutter: Man muss stets aufpassen, nicht gegen irgendwelche Sanktionen zu verstoßen. Wir haben beispielsweise einen Lizenzpartner in Indien und müssen mit denen ein Abkommen kreieren, damit von dort nicht Waren mittel- oder unmittelbar nach Russland gelangen.

IHK: Sind aus Ihrer Sicht Unternehmenssubventionen oder Förderprogramme für Unternehmen nötig?

Lutter: Eher nicht. Unternehmen sollten einfacher wirtschaften dürfen, weniger Regulierung wäre gut. Das kostet unnötig Geschwindigkeit sowie Personal und erdrückt einen schon fast.

IHK: Welche Konsequenzen zieht KEB, ist eine Neuausrichtung der Beschaffung geplant?

Lutter: Ich wüsste im Moment nicht, wo wir alternativ die entsprechenden Waren herbekommen könnten. Aber wir müssen unserer Flexibilität erhöhen, werden Beschaffungsmärkte zu Teilen in Frage stellen, die Single-Source-Vermeidung stärken und eine Bevorratung von kritischen Komponenten überprüfen. Das geht aber alles nicht von heute auf morgen. Ich habe neulich ein passendes Zitat gelesen: „Der Traum vom eingeschwungenen Zustand ist ausgeträumt – jetzt gilt es, Organisation so zu befähigen, auch in diesem Umfeld erfolgreich zu sein.“

IHK: Das hört sich nach „volle Kraft voraus an“. Aktuell wird in Barntrup in ein neues Zentral-Warenlager investiert. Ein Bekenntnis zum Standort?

Lutter. Auf jeden Fall. Ein klares Bekenntnis zu Deutschland, zu Nordrhein-Westfalen, zu Lippe und vor allem auch zu Barntrup.

   

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