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Der Griff in die Kiste

„Beschläge mit Ideen“, das ist der Anspruch von Bartels Systembeschläge. Das Unternehmen aus dem Kalletal hält einige Patente und hat beispielsweise vor 16 Jahren als Weltneuheit verdeckt liegende Türbänder auf den Markt gebracht. „Auf der ersten Messe hat niemand den Sinn dahinter verstanden“, erinnert sich Geschäftsführer Albert Bartels. „Erst die Zusammenarbeit mit Architekten hat den Durchbruch gebracht.“ Heute sind die versteckten Türbänder bei Objektbauten der Standard. Doch nicht nur bei seinen Produkten ist Bartels Innovationstreiber. Auch in der Produktion werden neue Technologien erprobt. Hier könnte Künstliche Intelligenz (KI) zu einem wichtigen Faktor werden. Was das mit dem „Griff in die Kiste“ zu tun hat, erklärt Bartels im Gespräch mit Matthias Carl von der IHK.

Künstliche Intelligenz, ist das für Sie eher Chance oder Risiko?

Albert Bartels: Fast nur „Chance“. Wir arbeiten in der Produktion nicht mit Sprachmodellen wie ChatGPT & Co, sondern vor allem mit lernender KI. Da sind die Risiken sehr beherrschbar. Und wir setzen die KI zunächst als reine Inhouse-KI ein.

Wo liegen die Chancen? 

Es geht primär darum, einfache Tätigkeiten zu automatisieren, Mitarbeiter zu entlasten und Arbeitsprozesse zu beschleunigen. Schon jetzt setzen wir zahlreiche Roboter ein. KI bietet nun weitere Möglichkeiten. Unser Automatisierungsteam freut sich darauf, gemeinsam mit Instandhaltern und Maschinenbedienern die Potenziale von KI zu erproben und zu nutzen.

Wie sieht die Umsetzung genau aus?

Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit einem Partner an zwei Projekten. Zum einen entwickeln wir eine KI-gestützte Lösung für die Wartung und Instandhaltung unserer Maschinen (CMMS). Dazu füttern wir die KI gerade mit dem gesammelten Wissen aus Handbüchern, Anleitungen und Instandhaltungsprotokollen. Die KI soll dann erkennen, wie Fehler früher behoben worden sind und Lösungsvorschläge unterbreiten. Das wird Zeit sparen und wahrscheinlich auch externe Serviceaufwände. Erste Tests sind sehr jedenfalls vielversprechend und die Instandhalter sind begeistert.

Und das zweite Projekt?

Da geht es um die Königsdisziplin innerhalb der Produktion, den „freien Griff in die Kiste“: Oft werden produzierte Teile aus Fertigungsanlagen unsortiert in einem Behälter gesammelt. Für die Automatisierung wäre es optimal, wenn ein Roboter daraus alle Teile wieder entnehmen und geordnet einer weiteren Bearbeitung zuführen kann. Mit den in der Kiste oft verdeckten und verhakten Teilen klappt das­ – ­
auch mit einer aufwändigen Bilderkennung – bisher nicht. Ein Mensch hat damit überhaupt keine Probleme. Das wollen wir in unserem Projekt ändern.

Was soll das bringen?

Bisher legen zwei Mitarbeiter an zwei Stanzen den ganzen Tag einzeln die Teile in die Anlage ein. Wenn Roboter durch KI künftig einen Großteil der Teile aus der Kiste entnehmen können, entlasten wir die Mitarbeiter zum einen von der eintönigen Tätigkeit und können zudem unsere vier Stanzanlagen betreiben.

Gibt es da keine Ängste vor Arbeitsplatzverlust?

Nein, im Gegenteil. Hier im Kalletal haben wir einen riesigen Fachkräftemangel. Wir können gar nicht alle Stellen besetzen. Deshalb sind wir ja schon so weit mit unserer Automatisierung.

Wie werden Sie die Mitarbeiter:innen bei der Einführung der KI konkret mitnehmen?

Bei der Entwicklung der KI-­Systeme sind einige Bereiche ja bereits involviert. Was den Bereich CMMS anbelangt, wird es natürlich Einführungsschulungen geben. Ein kleines Team wird sich dann um die Datenauswertung kümmern. Das betrifft vorrangig unseren IT-Admin und eine weitere Mitarbeiterin aus dem Verwaltungsbereich, die sich sehr gut mit Dokumentenverarbeitung auskennt. Das System soll im besten Fall so vorbereitet werden, dass es die Daten auch selbst auswerten kann.

Wo wollen Sie KI noch einsetzen?

Wir möchten zum Beispiel gern unsere Buchungsvorgänge automatisieren. Da gibt es zwar schon technische Lösungen, dazu muss aber jeder Zahlungseingang eindeutig identifizierbar und zuordenbar sein. Das ist bei uns leider schwierig. Große Kunden, die täglich von uns beliefert werden, wollen in der Regel nicht jede Rechnung einzeln bezahlen. Wir bekommen dann einen Zahlungeingang über eine Summe X, mit dem dann mehrere Rechnungen auf einmal bezahlt werden. Diese Summe müssen wir dann den einzelnen Rechnungen zuordnen. Unterm Strich hat man zudem oft eine 3-Cent-Differenz, die das System nicht verbuchen kann. Und bei den Zahlungsavis zu den Eingangsrechnungen hat jedes Unternehmen ein eigenes Format.

Und wie weit sind Sie hier?

Wir filtern zwar mit einem Algorithmus vor, allerdings ist die Filterquote bei Zahlungs­eingängen sensationell schlecht, weil der Algorithmus nur nach bestimmten Textfeldern sucht. Findet er die nicht, dann muss man den Zahlungseingang von Hand bearbeiten. Jetzt arbeiten wir erst einmal die anderen beiden Projekte ab, dann sehen wir weiter.

   

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