Titelthema - Leitartikel
Immobilienwirtschaft in Lippe
Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist eine sehr persönliche Branche. Denn Wohnen muss jeder und jedes Unternehmen braucht eine Adresse. Es gibt jedoch kaum eine Branche mit so viel Wandel und konjunkturellen Bewegungen wie hier wie in den letzten Jahren. Wer verbirgt sich eigentlich hinter der Bau- und Immobilienwirtschaft in Lippe?
Bei der Betrachtung ist grundsätzlich zu betrachten, dass aus IHK-Sicht der Fokus auf der Immobilienwirtschaft liegt, da es deutliche Schnittmengen bei der „klassischen“ Bauwirtschaft mit dem Handwerk gibt. Mehr als ein Drittel der lippischen Branche besteht aus Unternehmen des Grundstücks- und Wohnungswesens, mit Tätigkeiten wie Kauf, Verkauf, Vermietung und Verpachtung.
Darauf folgen mit rund 33 Prozent Unternehmen, die mit Finanz- und Versicherungsdienstleistungen verbundene Tätigkeiten ausführen. Die drittgrößte Gruppe ist mit rund 16 Prozent die Vermittlung und Verwaltung von Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen für Dritte, gefolgt von den Architektur- und Ingenieurbüros mit neun Prozent. Die Bau- und Immobilienwirtschaft unterlag gerade in den letzten fünf Jahren vielen Bewegungen. Deutliche Zinsbewegungen in der Finanzwirtschaft haben direkten Einfluss auf die Immobilienwirtschaft.
Bei niedrigen Zinsen wird mehr gebaut und gekauft. Steigende Preise für Energie ließen die Nebenkosten in die Höhe schießen und gerade Altbauten wurden einer energetischen Neubetrachtung unterzogen. Im Vergleich zum Jahr 2019 lohnt sich der Blick auf die Baupreisentwicklung. Der Baupreisindex für Wohngebäude sank laut IT NRW in der zweiten Jahreshälfte 2020 vor dem Hintergrund der temporären Mehrwertsteuersenkung. Eine überdurchschnittliche Veränderung der Baupreise war in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu verzeichnen, die – neben gestiegenen Materialpreisen – mit der temporären Steuersenkung in der zweiten Jahreshälfte 2020 zusammenhängt. Die höchste Preissteigerung zwischen Februar 2019 und Februar 2023 gab es bei Dämmarbeiten an technischen Anlagen mit einem Plus von über sechzig Prozent. Überdurchschnittlich verteuerten sich auch Arbeiten an Gas-, Wasser und Abwasser-Installationsanlagen mit einem Plus von 43,8 Prozent, Estricharbeiten mit einem Anstieg von 42,8 Prozent, Betonwerksteinarbeiten mit einer Erhöhung um 41,5 Prozent sowie Beton- und Stahlbetonarbeiten und Entwässerungskanalarbeiten mit einem Plus von jeweils über 40 Prozent.
Ein wichtiger Punkt, der gerade in der momentanen wenig kalkulierbaren politischen Zeit nicht zu unterschätzen war und ist, sind Förderprogramme.
«Kleine Programme für Privatnutzer oder im Einfamilienhausbau sind gerade oft eingefroren, ausgesetzt oder ausgeschöpft. Auch der unter Druck stehende soziale Wohnungsbau ist von schwer kalkulierbaren Förderungen stark betroffen.
In einer IHK-Umfrage im Sommer unter der lippischen Immobilienwirtschaft zeichnete sich ein deutliches Bild der aktuellen Herausforderungen ab: Mehr als jedes zweite Unternehmen sieht die deutlichste Herausforderung in öffentlichen Vorgaben, gefolgt von 45 Prozent beim Umgang mit Behörden sowie zu jeweils 40 Prozent in der Sicherheit am Planungshorizont und im Umgang mit Förderungen. In der letzten Konjunkturumfrage der IHK Lippe waren auch Unternehmen dieser Branche deutlich: der Bau- und Immobiliensektor kämpft mit starken Preisanstiegen bei Neubauten. In Kombination mit der hohen Zinsbelastung ergibt sich eine stark rückläufige Nachfrage, die sowohl den öffentlichen als auch den privaten Sektor betrifft. Beim Blick auf die Wohnungssituation fehlen im Kreis Lippe fast 2000 Wohnungen. Zwar gibt es deutlichen Leerstand, aber hiervon steht mehr als eine Hälfte mehr als ein Jahr leer und muss zum Wiedererreichen einer Nutzung als Wohnraum aufwendig saniert werden. Insgesamt sind laut IT NRW im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 nur 111 Baugenehmigungen für neue Wohngebäude ausgesprochen worden und damit 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Anteil der Zweifamilienhäuser ist hierbei jedoch um mehr als fünfzig Prozent gestiegen. Positiv ist zudem auch, dass es eine Verdoppelung bei Wohnungen gibt, die durch Um- oder Ausbauarbeiten entstehen.Grundsätzlich ist die Bau- und Immobilienwirtschaft in Lippe wie auch in der übrigen Bundesrepublik in einer angespannten Lage. Andere Wohn- und Bauformen lassen jedoch hoffen. Egal ob Tiny-Häuser, Reaktivierung von leerstehenden oder historischen Gebäuden oder auch die Ansiedelung des neuen Instituts für nachhaltiges digitales Bauen an der Technischen Hochschule OWL am Kreativ Campus in Detmold gibt einen positiven Ausblick. Nachdem die Immobilienpreise in den letzten Jahren gesunken sind, sieht das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) eine Wende am Immobilienmarkt. Von April bis Juni 2024 sind die Preise bundesweit wieder gestiegen. Verantwortlich dafür seien ein Einbruch beim Neubaugeschäft sowie die Aussicht auf sinkende Zinsen. Die Preise steigen jedoch nicht überall gleichmäßig stark. Es gibt immer noch deutliche Unterschiede je nach Region. Wie kaum eine andere Branche ist die Bau- und Immobilienwirtschaft jedoch vom Abbau bürokratischer Hürden, deutlichen Digitalisierungsbewegungen und verlässlichen kohäsionspolitischen Mechanismen wie Förderprogrammen abhängig.