Fokus
Dialog statt Eskalation
Was bedeutet die zweite Amtszeit Trumps für deutsche Unternehmen, Europa und den Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China? Auf diese Fragen gab der renommierte Politikwissenschaftler und Bestsellerautor Dr. Josef Braml Antworten.
Sie haben das transatlantische Verhältnis zwischen den USA und Europa einmal als „Illusion“ bezeichnet. Was genau meinen Sie damit?
Dr. Josef Braml: Das Buch mit dem Titel „Die Transatlantische Illusion“ habe ich vor Russlands Einmarsch in die Ukraine veröffentlicht und argumentiert, dass Europa seine militärischen Fähigkeiten zur Abschreckung stärken muss, da wir uns nicht länger auf die USA verlassen können würden. Ich warnte vor Donald Trumps möglicher Rückkehr ins Weiße Haus und betonte, dass sich Amerika künftig von Europa ab- und stärker Asien zuwenden wird, da China die wirtschaftliche und militärische Dominanz der USA herausfordert.
Keine Illusion ist die große Bedeutung des US-Marktes für die deutsche Wirtschaft. Wie ist es um dieses Geschäft in den nächsten Jahren bestellt? Was raten Sie deutschen Exporteuren, aber auch solchen, die bereits in den USA investiert haben?
Deutsche Firmen sollten in den USA bleiben. Trumps Steuer- und Handelspolitik könnte erhebliche Auswirkungen haben. Er plant, die Körperschaftssteuer auf 15 Prozent zu senken, was amerikanische Unternehmen wettbewerbsfähiger macht. Deutsche Firmen müssten möglicherweise ihre Produktionsstandorte anpassen. Zudem könnten Zölle auf Importe Handelskonflikte auslösen, die Europa betreffen. Einige deutsche Unternehmen könnten Teile ihrer Produktion in die USA verlagern, um Zölle zu vermeiden.
In der ersten Amtszeit Donald Trumps konterte die Europäische Union US-Zölle auf EU-Waren mit eigenen Zöllen. Welche handelspolitischen Maßnahmen empfehlen Sie der EU (im Falle erneuter US-Zölle)?
Die EU hat noch keine umfassende Strategie gegen mögliche US-Strafzölle, plant aber den Dialog mit den USA, um Eskalationen zu vermeiden. Kommissionspräsidentin von der Leyen deutete an, dass die EU mehr amerikanisches Flüssiggas (LNG) kaufen könnte. Bei Strafzöllen wäre die EU bereit, ihrerseits Zölle auf US-Produkte zu erheben, um wirtschaftlichen Gegendruck auszuüben. Die EU wäre zudem gut beraten, den Binnenmarkt zu vertiefen, eine Wettbewerbsstrategie zu entwickeln und Handelsbeziehungen zu anderen Partnern wie dem MERCOSUR zu stärken.
Die neue US-Regierung wird die strategische Auseinandersetzung mit China verschärfen. Was konkret ist zu erwarten?
Die Vereinigten Staaten verfolgen eine Politik, die darauf abzielt, Chinas wirtschaftliches Wachstum zu bremsen, und ermutigen ihre Verbündeten, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Der Druck auf die Partner der USA wird zunehmen, um Chinas Fortschritt in Schlüsseltechnologien einzuschränken. Statt auf Kooperation setzt die USA auf eine Strategie der wirtschaftlichen Entkoppelung, um das technologische und militärische Wachstum Chinas zu verlangsamen. Der Machtkampf könnte die USA dazu veranlassen, Verbündete zu zwingen, sich für einen Handelspartner zu entscheiden, was zu einer Welt mit amerikanischen und chinesischen Standards führen könnte.
Wie wird sich die amerikanische China-Politik auf das starke Engagement deutscher Unternehmen in China auswirken?
Unternehmen in militärisch und technologisch sensiblen Bereichen sollten ihre China-Aktivitäten überdenken, um Konflikte mit den USA zu vermeiden. Die USA nutzen ihre Marktmacht und den Dollar als Druckmittel im geoökonomischen Wettbewerb. Deutsche Unternehmen müssen sich auf mögliche Deglobalisierung vorbereiten und ihre Lieferketten weniger abhängig von China gestalten, auch durch Rückverlagerung der Produktion. Selbst Regionalisierungsstrategien könnten ins Stocken geraten, wenn die Rivalität zwischen China und den USA eskaliert und die USA (Sekundär-)Sanktionen verhängen.
Welche Rolle könnte Donald Trump in der „Taiwan-Frage“ spielen? Eine Blockade oder Invasion Taiwans durch China hätte schwerwiegende Folgen für die Weltwirtschaft.
Taiwan steht wegen seiner fortschrittlichen Halbleitertechnologien und strategischen Lage im Mittelpunkt des Wettbewerbs zwischen China und den USA. Während die USA glauben, dass China aufgrund seiner eigenen Wirtschaftskrise keinen Konflikt riskieren wird, könnte die chinesische Führung unter Xi Jinping nationalistische Rhetorik nutzen, um von internen Problemen abzulenken. China will eine Invasion vermeiden und setzt auf andere Mittel wie Cyberangriffe, Zölle oder Sanktionen. Es gibt jedoch Stimmen in der chinesischen Elite, die eine Seeblockade als Möglichkeit sehen, um die USA zu ernsthafteren Verhandlungen zu bewegen.
Die geopolitischen Risiken sind durch die Wahl Donald Trumps gestiegen. Welche Chancen birgt die zweite Amtszeit Trumps für Deutschland und die deutsche Wirtschaft?
Trumps zweite Amtszeit ist ein Weckruf für Deutschlands Politik und Wirtschaft. Ein vereintes Europa bietet genug Marktstärke und Handlungsspielraum, um unabhängig zu bleiben. Statt Währungsreserven zur Unterstützung der US-Wirtschaft und Militärkosten zu nutzen, sollten europäische Länder, allen voran Deutschland, in die Stärkung des Euro, Sicherheitsfähigkeiten, digitale Infrastruktur und Zukunftstechnologien investieren. So wären sie besser vorbereitet auf den geoökonomischen Wettbewerb, den Trump verschärfen wird.
Trumps zweite Amtszeit ist ein Weckruf für Deutschlands Politik und Wirtschaft. Ein vereintes Europa bietet genug Marktstärke und Handlungsspielraum, um unabhängig zu bleiben. Statt Währungsreserven zur Unterstützung der US-Wirtschaft und Militärkosten zu nutzen, sollten europäische Länder, allen voran Deutschland, in die Stärkung des Euro, Sicherheitsfähigkeiten, digitale Infrastruktur und Zukunftstechnologien investieren. So wären sie besser vorbereitet auf den geoökonomischen Wettbewerb, den Trump verschärfen wird.