Fokus
Bürokratieabbau: EU macht Ernst
Es ist fünf vor zwölf. Das hat die EU-Kommission erkannt. Sie lässt beim Bürokratieabbau den Worten Taten folgen und setzt bei den Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung überraschend deutlich die „Kettensäge“ an. Der Entwurf des „Omnibus-Pakets (I)“ zur Änderung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD), der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und der Verordnung (EU) 2023/956 zum Grenzausgleichsmechanimus (CBAM) setzt zahlreiche Forderungen um, die die IHK-Organisation wiederholt angemahnt hat. Viele Unternehmen würden dann doch nicht direkt in die Pflicht genommen. Wenn EU-Rat und -Parlament die Vorschläge annehmen, sollen allein damit die Bürokratiekosten um 6,3 Mrd. EUR sinken.
Entlastung bei Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD)
Laut dem Änderungsentwurf der CSRD sollen große Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften erst zwei Jahre später berichtspflichtig werden und zwar erstmals für Geschäftsjahre, die 2027 beginnen. Kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen die CSRD erst für Geschäftsjahre ab 2028 anwenden.
Anders als geplant sollen künftig nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und entweder einem Nettoumsatz von 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro berichtspflichtig sein. Kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen würden künftig nicht mehr vom Anwendungsbereich der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung erfasst sein. Auch für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen und Drittstaatenunternehmen sollen Änderungen greifen. Die EU-Kommission schätzt, dass statt 50.000 nur noch 10.000 Unternehmen von der CSRD direkt betroffen wären.
Freiwilliger Standard (VSME) erhält höheres Gewicht
Die EU-Kommission will erreichen, dass die nicht vom Anwendungsbereich der CSRD erfassten Unternehmen, künftig freiwillig berichten. Grundlage soll der VSME werden, den die Kommission in einem delegierten Rechtsakt formal verabschieden will. Die im VSME festgelegten Anforderungen sollen als Obergrenze (Value Chain Cap) dienen. Auf diese Weise sollen die Datenabfragen CSRD-pflichtiger Unternehmen an Betriebe in der vorgelagerten Wertschöpfungskette (Trickle-Down-Effekt) effektiv begrenzt und harmonisiert werden.
Berichtsstandards werden erneut angepackt
Das Paket der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) soll noch einmal aufgeschnürt werden. So sollen viele, für die allgemeine Nachhaltigkeitsberichterstattung kaum relevante Datenpunkte gestrichen werden. Gleichzeitig soll darunter die Vergleichbarkeit mit globalen Standards nicht leiden. Bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse soll sichergestellt werden, dass die Unternehmen nur wesentliche Informationen berichten und den Ressourcenaufwand begrenzen.
Weniger Unternehmen von EU-Taxonomie betroffen
Die neue Grenze von 1.000 Mitarbeitenden soll auch für die Anwendung der EU-Taxonomie gelten. Zudem können Unternehmen dieser Größe mit einem Nettoumsatz von bis zu 450 Millionen Euro den Umfang ihrer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten optional berichten. In diesem Fall sind auch Angaben zu Betriebsausgaben (OpEx) freiwillig. Zu Umfang und Form dieser Offenlegung muss die Kommission delegierte Rechtsakte erlassen. Parallel zum Omnibus-Paket plant die Kommission Änderungen an den delegierten Rechtsakten zur Offenlegung (Disclosure Delegated Act) und zu den technischen Bewertungskriterien der Klima- und Umwelt-Taxonomie (Climate Delegated Act und Environment Delegated Act). Unter anderem sollen die Berichtsvorlagen vereinfacht werden, so dass statt 78 nur noch 27 Datenpunkte berichtet werden müssten. In der Klima- und Umwelt-Taxonomie sollen insbesondere die Anlagen C zu den „do-no-significant-harm-Kriterien“ (DSNH) vereinfacht werden.
Europäisches Lieferkettengesetz (CSDDD) wird entschlackt
Auch die Umsetzung der CSDDD soll später starten: Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden und mehr als 900 Mio. Euro weltweitem Nettoumsatz müssten die neuen Regelungen ab Juli 2028 anwenden, Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und mehr als 450 Mio. Euro weitweitem Nettoumsatz wären ab Juli 2029 dran.
Wichtig: Die Sorgfaltspflichten sollen in der Regel auf die eigenen Tätigkeiten des Unternehmens, der Tochtergesellschaften und der direkten Geschäftspartner (Tier 1) beschränkt werden. Informationen, die die Unternehmen von ihren KMU-Geschäftspartnern mit weniger als 500 Mitarbeitenden einfordern, sollen sich am freiwilligen VSME-Standard der CSRD orientieren. Die Due-Diligence-Aktivitäten sollen nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle fünf Jahre bewertet werden müssen.
CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM): Neue Bagatellschwelle
Kleine CBAM-Importeure sollen massiv entlastet werden. Bisher fallen CBAM-pflichtige Waren ab einem Warenwert von 150 Euro pro Lieferungen unter die CBAM-Regularien. Künftig sollen nur noch Unternehmen CBAM-pflichtig sein, die während eines Kalenderjahres insgesamt mindestens 50 Tonnen Eisen und Stahlerzeugnisse, Aluminium, Düngemittel oder Zement importieren. Dies könnte nach Schätzung der EU-Kommission 90 Prozent der Importeure entlasten. Trotzdem sollen rund 99 Prozent der CO2-Emissionen weiterhin erfasst sein. Zudem werden die Fristen zur Umsetzung verschoben und neue Standardwerte eingeführt.