Lippe Wissen und Wirtschaft, Ausgabe 1/2022DruckenZurück


Fokus

fordern mehr Tempo von Seiten der Politik

Heimische Unternehmen fordern mehr Tempo von Seiten der Politik

Michael Kellner zeigt sich beim Empfang der lippischen Wirtschaft beeindruckt vom starken Mittelstand vor Ort.

Die lippischen Unternehmen sind bereit. Bereit für Veränderung, für Zusammenarbeit und dafür, Verantwortung zu übernehmen. Doch es braucht mehr Tempo seitens der Politik, um handlungsfähig zu bleiben und Probleme wie Preisexplosionen oder Arbeitskräftemangel pragmatisch lösen zu können. Das wurde jüngst beim Empfang der lippischen Wirtschaft in den Räumen der IHK Lippe zu Detmold mehr als deutlich.

Zeit ist Geld, heißt es so schön und ja, Zeit ist definitiv ein wertvolles Gut. Kein Wunder also, dass die Lipper ganz klare Wünsche in Richtung Berlin schicken. 

Man solle „auf die Tube drücken“ und „einent Zahn zulegen“,

gab nicht nur IHK-Präsident Volker Steinbach dem Gastredner Michael Kellner mit auf den Weg ins Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Der Parlamentarische Staatssekretär war in seiner Rolle als Beauftragter der Bundesregierung für den Mittelstand auf Einladung der IHK nach Lippe gekommen, um seine Unterstützung zuzusagen und sich vor Ort ein Bild zu machen. Nach einem nachmittäglichen Ausflug mit Betriebsführungen beim Kunststoffspezialist „Oskar Lehmann GmbH & Co. KG“ in Blomberg sowie bei dem weltweit führenden Anbieter von Industrieklebstoffen, der „Jowat SE“ in Detmold, lautete sein Fazit:

„Ich bin beeindruckt und auch ein bisschen neidisch.“ 

Solch ein starker Mittelstand suche seinesgleichen, darauf könne man zu Recht stolz sein. Doch auch der stärkste Mittelstand kann nur funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen passen, wie bei der von IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Sievers moderierten Talk-Runde betont wurde. 

„Wir brauchen einen echten Bürokratieabbau und nicht nur leere Worthülsen“,

forderten Thomas Sollich und sein Sohn Nicolas Sollich, die in dritter und vierter Generation ein Unternehmen mit Sitz in Bad Salzuflen lenken, welches Sondermaschinen für die Schokoladen- und Süßwarenindustrie entwickelt, herstellt und international vertreibt. „Die Bürokratie darf uns nicht das Tempo nehmen“, hatte schon Volker Steinbach zuvor auf schleppende Verwaltungsverfahren hingewiesen, die die Betriebe in ihrem Tatendrang ausbremsen. „Andere EU-Länder sind da wesentlich schneller“, sieht der IHK-Präsident einen Wettbewerbsnachteil. „Wir müssen agieren, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.“ Es sei Zeit, mutig und entschlossen zu handeln, um neuen Ideen Raum zur Entfaltung zu geben. Diesen Ball nahm Michael Kellner gerne auf. 

„Sie haben völlig Recht, wir müssenbeschleunigen, Hürden aus dem Weg räumen und komplizierte Bürokratie geländegängiger machen. Wir brauchen kluge Regeln. Dafür bin ich bereit zu kämpfen.“

Des Weiteren stelle neben Energiesicherheit sowie Energiebezahlbarkeit der Arbeitskräftemangel wohl aktuell das größte Problem der Wirtschaft dar. „Wir brauchen eine erleichterte Fachkräfteeinwanderung, wer will, soll länger arbeiten dürfen und auch es müssen Hürden für Frauen fallen, die Familie und Selbstständigkeit vereinen möchten.“ Eine Quote von 5,7 Prozent bei der Zahl von erwerbslosen Jugendlichen höre sich zwar gering an, sei jedoch immer noch zu hoch und stehe für eine der verschiedensten Schrauben, an denen gedreht werden könne. Kellner lobte daher besonders den Start der IHK-Kampagne „JETZT #KÖNNENLERNEN“. „Ich würde mir wünschen, dass mit Berufsberatungs- und Berufsorientierungsangeboten an allen Schulformen offensiv für die duale Ausbildung, um die uns sehr viele Länder beneiden, getrommelt wird. Auch an den Gymnasien, denn dort werden aus meiner Sicht zu viele Schülerinnen und Schüler von ihren eigenen Berufswünschen abgehalten. Nicht nur ein Studium führt zum Glück“, möchte der 45-Jährige sämtliche Potenziale ausgeschöpft sehen. Azubis seien nie wertvoller gewesen als heute. „Ohne den Mittelstand würde das System der dualen Ausbildung nicht funktionieren“, schickte der Politikwissenschaftler einen großen Dank an alle, die dazu ihren Beitrag leisten.