Lippe Wissen und Wirtschaft, Ausgabe 1/2022DruckenZurück


Titelthema - Leitartikel

machen Bock auf Ausbildung

Echte Emotionen

Mit der neuen Kampagne #jetzkönnenlernen ziehen nicht nur alle Industrie- und Handelskammern an einem Strang. Auch die heimischen Unternehmen sind zum Mitmachen aufgerufen. 

„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Hat angeblich mal ein bekannter deutscher Dichterfürst gesagt. „Fack ju Göhte“, könnten darauf nicht nur Kino-Fans passend antworten, sondern auch die Industrie- und Handelskammern. Sollte der Begriff Ausbildung noch einen Hauch von Staub besitzen, dann wird spätestens jetzt das letzte Körnchen weggefegt: Mit der Kampagne #jetztkönnenlernen. Die Sprüche sind markig. „Was wir mal werden wollen: stolz auf uns.“ „Statt irgendwas werden: in irgendwas richtig gut.“  

Ausbildung soll als positives Lebensgefühl in die Köpfe von Interessierten transportiert und mit echten Emotionen aufgeladen werden.

Wer könnte das besser als die jungen Leute, die sich für diesen Schritt bereits entschieden haben. „Es sind auf Bundesebene insgesamt neun so genannte Azubi-Creator ausgewählt worden, die sämtliche Kanäle bespielen werden“, kann Sebastian Prange den Start der Kampagne kaum erwarten. Der lippische Ausbildungs-Matcher setzt große Stücke auf die Social-Media-Auftritte, wo dieser Marketing-Offensive dank echter Azubis echtes Leben eingehaucht wird. Es sei seitens der DIHK als Auftraggeber die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit gewesen.                  
 
„Die App TikTok ist beispielsweise heutzutage bei Jugendlichen die erste Wahl, um an Informationen zu kommen. Auf Unternehmensseite wird diese Plattform dagegen noch sehr stiefmütterlich bis gar nicht behandelt“, weiß Prange, dass nur einige der großen Player in Lippe auf musikunterlegte Video-Botschaften setzen. Der Zeit- und Arbeitsaufwand sei ebenso groß wie die Wirkung auf die Zielgruppe. „Man muss sich auch mal selbst aufs Korn nehmen können, um nicht gestellt, sondern authentisch rüberzukommen. Eine Portion Mut und Selbstbewusstsein gehören dazu. Aber die jungen Menschen wachsen in dieser Welt auf, die können das. Diese Potenziale muss man nutzen.“ Sebastian Prange hält nichts davon, die Generation Z als Smartphone-Junkies zu verteufeln. „Man kann den Umgang mit neuen Medien auch als Skills bezeichnen, als besondere Talente, die sich selbst beim gemeinsamen Zocken entwickeln können“, denkt er an Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikations- oder Problemlösefähigkeit, die es zu fördern gilt. „Wenn man dem Nachwuchs Verantwortung überträgt, ihm die Chance gibt, sich kreativ im Unternehmen einzubringen, die Plattform stellt, um öffentlich Werbung zu machen für das, was man während der Ausbildung bereits gelernt hat, dann profitieren beide Seiten.“
Auch die eigenen Azubis Chantal Brendler und Paul Schamschat haben ein professionelles Video gedreht, um sich auf Bundesebene als Botschafter der Kampagne zu bewerben. Am Ende hat es im Wettbewerb zwar nicht ganz gereicht, aber alle im Haus mächtig stolz auf die Leistung der beiden, wie Sebastian Prange bestätigt. Grundsätzlich solle interessentengerecht gesendet werden, da könne durchaus mal ein verrücktes Video oder ein witziger Lifehack dabei sein. „Alles ist erlaubt. Unterschwellig wabert aber immer das Thema Ausbildung mit, Informationen zum Beruf und zum Betrieb. Und die Erkenntnis, dass man dank einer Ausbildung beruflich enorm erfolgreich sein kann und einem viele Möglichkeiten offenstehen“, nennt Sebastian Prange den Plan, den die Mitmach-Kampagne verfolgt. Und mitmachen, dass sollen neben allen Industrie- und Handelskammern auf Bundebene auch möglichst viele Unternehmen in Lippe. 

„Die Idee ist, dass Deutschland quasi in den nächsten Wochen und Monaten überrollt wird“, grinst der Ausbildungs-Experte. 

Die Detmolder IHK hat dafür dauerhaft ihr Gesicht verändert. Junge Köpfe begegnen den Besuchern bereits am Eingang. „Spießige Schlipsträger? Nein, so ist die Kammer nicht“, wollen die Verantwortlichen mit Vorurteilen aufräumen. Sämtliche Werbematerialien können von den Mitglieds-Betrieben adaptiert werden und stehen kostenfrei zur Verfügung. Anstatt dass jeder sein eigenes Süppchen kocht, gilt es gemeinsam dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel ein Schnippchen zu schlagen, jetzt und in Zukunft. Und es geht auch darum, das anfängliche erwähnte geflügelte Sprichwort neu zu formulieren. Zum Beispiel in „Lehrjahre sind herrliche Jahre.“ Oder so.